Acker- und Gartenbau
Ackerbau
Alamannen als Selbstversorger
Die Alamannen lebten hauptsächlich von den Früchten ihrer Felder. Im Gegensatz zu den Römern, deren landwirtschaftliche Betriebe für einen Markt produzierten und daher aus Gründen der Effektivität bereits spezialisiert waren, kultivierte jeder alamannische Einzelhof ein vielfältiges Spektrum an Nutzpflanzen zum Eigenbedarf. Dies hatte mehrere Vorteile, so treffen Missernten selten alle Arten, die Arbeitsspitzen bei Saat und Ernte werden entzerrt, der Speiseplan wird abwechslungsreicher, bei Bedarf wird ein Fruchtwechsel auf den Feldern erleichtert, was bei großen Flächen von Monokulturen schwer fallen würde, und letztlich kann damit auch dem Auslaugen des Bodens entgegen gewirkt werden, denn unterschiedliche Pflanzen benötigen unterschiedliche Konzentrationen der Nährstoffe im Boden, daher verhindert ein Fruchtwechsel das übermäßige Erschöpfen eines oder weniger Nährstoffe.
Ackerbau in der Völkerwanderungszeit
Es gibt drei Völkerwanderungszeitliche Siedlungen der Alamannen, die ausreichend Getreidereste bieten um diese zu analysieren: Mühlheim-Stetten, Mengen und Igersheim, als Nachbar des späten römischen Reiches. Die Befunde unterscheiden sich nur wenig von denen der Vorangegangenen Epoche oder der Nachfolgenden. Auffällig ist in allen Fällen ein Übergewicht an Gerste, was auf drei Arten erklärt werden kann, durch Tradition, weil diese Getreideart im Elbgermanischen Stammland die häufigste war, durch ihre besondere Eignung zum Sommerfeldbau, was mehr Zeit im Winter für andere (z .B. handwerkliche) Tätigkeiten frei hielt und bereits die Bedeutung des Bierbrauens. Daneben finden sich viele Spuren von Einkorn und Dinkel, wenige von Emmer, Nacktweizen und Hopfen und auch Roggen ist noch selten.
Von den Pflanzenresten allgemein, die festgestellt werden konnten entfallen 60- 75% auf Getreidesorten, daneben waren zu dieser Epoche Hülsenfrüchte, vor allem Linsen aber auch Erbsen, wichtige Nährstoffquellen der Alamannen und schließlich Ölpflanzen wie gebauter Lein, aus dessen Fasern auch Textilien hergestellt werden können.
Aus den Spuren der wenigen Ackerunkräuter kann geschlossen werden, dass auch ohne massive Düngung keine Bodenverarmung stattfand, dies wird (neben dem erwähnten Fruchtwechsel) auch auf eine mögliche Feld-Gras-Wechselwirtschaft zurückgeführt, also die Nutzung der Felder als Weiden über einige Jahre, bis sich der Boden wieder erholt hat.
Ackerbau im Frühmittelalter
Auch in der Merowingerzeit spricht die Vielfalt der Getreidesorten auf einzelnen Höfen für Selbstversorgung. Hier liegen nun die Siedlungen Mühlheim-Stetten, Lauchheim, Renningen und Igersheim im Fokus der Betrachtung, wobei letztere schon unter fränkischem Einfluss steht. An Bedeutung gewinnt der anspruchsvolle Nacktweizen, was für fruchtbare Böden und ein mildes Klima spricht. Daneben und nicht unwichtiger werden Gerste, Dinkel, Hafer, Einkorn und nun auch Roggen angebaut, während der Emmer nun völlig bedeutungslos wird. Über den Stellenwert der Hirse kann keine klare Aussage getroffen werden, da sich ihre Samen kaum erhalten und selten nachweisbar sind.
Die Entwicklungen
Tendenziell lösen zur Mitte des 7.Jh. Hafer, Dinkel und Nacktweizen in Lauchheim die Gerste ab, während in Mühlheim-Stetten der Nacktweizen vor dem Dinkel zum wichtigsten Getreide wird. Im fränkischen Igersheim und dem nahe der fränkischen Grenze gelegenen Renningen spielt der Roggen nun eine wichtige Rolle. Überhaupt steigt mit dem fränkischen Einfluss auch die Bedeutung des Roggens im alamannischen Raum.
Tendenziell lösen zur Mitte des 7.Jh. Hafer, Dinkel und Nacktweizen in Lauchheim die Gerste ab, während in Mühlheim-Stetten der Nacktweizen vor dem Dinkel zum wichtigsten Getreide wird. Im fränkischen Igersheim und dem nahe der fränkischen Grenze gelegenen Renningen spielt der Roggen nun eine wichtige Rolle. Überhaupt steigt mit dem fränkischen Einfluss auch die Bedeutung des Roggens im alamannischen Raum.
Es lässt sich also eine Umstellung des Getreideanbaus in der Mitte des 7.Jh. feststellen, die ein Anzeichen für eine Intensivierung der Landwirtschaft wegen Bevölkerungswachstum andeutet. Ebenfalls dafür spricht die Verschlechterung der Bodenqualität, die aus einer Zunahme der Unkräuter, die basenarme Böden bevorzugen, abgeleitet werden kann.
Der Übergang von der frühmittelalterlichen vielseitigen Acker- und Gartenbaukultur in Feld-Gras-Wirtschaft, zur Selbstversorgung, hin zur per Verordnung regulierten hochmittelalterlichen Anbauweise (Dreifelderwirtschaft) zur Ernährung auch der nun aufkommenden städtischen Bevölkerung, irgendwann im 10. oder 11. Jh., kann wegen fehlender gut datierter Fundkomplexe noch nicht nachvollzogen werden.
Michael Seiz
Verwendete Literatur:
Rösch, M. 1997. Ackerbau und Ernährung. In: Karlheinz Fuchs (Hg.), Die Alamannen, Begleitband zur Ausstellung „Die Alamannen“. Stuttgart: Theis. S. 323-330.
Rösch, M. 1989. Pflanzenreste des frühen Mittelalters von Mühlheim a. D.-Stetten, Kreis Tuttlingen. In: Landesamt für Denkmalpflege (Hg.), Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1988. Stuttgart: Theis. 211f.
Gartenbau
Entgegen der langjährigen Lehrmeinung einiger Historiker, das Fehlen von Schriftquellen über Gartenbau für die Völkerwanderungszeit und das Frühmittelalter sei ein Beleg dafür, dass es in diesen Epochen keinen Gartenbau nördlich der Alpen gab, kann anhand archäologischer Fundstellen widerlegt werden. Besonders geeignet ist hier, aufgrund der dort herrschenden Feuchtbodenbedingungen, das Gräberfeld von Lauchheim, in dem ca. 190 verschiednen Pflanzenarten, darunter viele typische Gartenpflanzen, nachgewiesen werden konnten. Die Pflanzenreste sind keine Grabbeigaben, sondern sind über das Verfüllen der Gräber mit Erde auch aus dem Laufhorizont des Siedlungsareals, unbeabsichtigt mit eingetragen worden, stellen also ein Zeugnis der Alltagskultur, Momentaufnahmen der Umgebung der Gräber zum Zeitpunkt der Verfüllung, dar.
So fanden sich beispielsweise Spuren von Koriander, Dill, Runkelrübe, Mangold, Bohnenkraut, Petersilie, Kohl und Kultursorten von Kirsche, Kornellkirsche, Pflaume und Feige, unter anderem also auch Pflanzen aus dem Mittelmeerraum, die ohne gärtnerische Pflege in Mitteleuropa schnell eingehen würden. Daher muss der Gartenbau der Römer ohne große Pausen direkt von den Alamannen weiter geführt worden sein.
Zusätzlich im Gräberfeld nachgewiesen sind die Gemüse- und Gewürzpflanzen Senf und Sellerie, die Ölpflanzen Rübse, Schlafmohn und gebauter Lein und die Weintraube, die allerdings auch importiert worden sein kann.
Zeitweise scheint auch Sammelgut, unerwartet wichtig für die Versorgung der Alamannen. So sind beispielsweise Hasel, Schlehe, Heidelbeere, Himbeere, Brombeere und Erdbeere, Apfel und Birne nachgewiesen, wobei unter den letzten beiden Wildformen von kultivierten Formen in den Befunden nicht unterschieden werden können. Selten findet sich auch die Kulturform Haferpflaume. Konstant häufig ist Hopfen, der eventuell bereits als Bierwürze eingesetzt wurde.
Hinweise auf Ziergärten gibt es Allerdings nicht.
Verwendete Literatur:
Kokabi, M. u. Rösch, M. 1991. Knochen und Pflanzenreste des frühen Mittelalters von Lauchheim, Ostalbkreis. In: Landesamt für Denkmalpflege (Hg.), Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1990. Stuttgart: Theis. 215-220.
Rösch, M. 1993. Zum Fortgang der Untersuchungen im frühmittelalterlichen Gräberfeld, Adelshof und Hofgrablege bei Lauchheim Ostalbkreis. In: Landesamt für Denkmalpflege (Hg.), Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1992. Stuttgart: Theis. 231-243.
Rösch, M. 1997. Ackerbau und Ernährung. In: Karlheinz Fuchs (Hg.), Die Alamannen, Begleitband zur Ausstellung „Die Alamannen“. Stuttgart: Theis. S. 323-330.
Rösch, M. 2006. Die Gärten der Alamannen Bodenfunde zeigen ein neues Bild vom Pflanzenanbau nördlich der Alpen. In. Denkmalpflege in Baden-Württemberg 35/3. S. 166-171.