Alamannische Siedlungsgeschichte
Ein Überblick über den Stand der archäologischen Forschung
von Margarete Schloßer
Studentin der Ur- und Frühgeschichte (cand. phil.)
margarete.schlosser[at]mendle.net
Von der Landnahme zum Landesausbau
Nördlich des Limes liegt im 3. Jh. n. Chr. das in kleine Territorien zersplitterte germanische Siedelland, darunter auch das Stammesgebiet der 213 n. Chr. erstmals erwähnten Alamannen. In den römischen Schriftquellen werden die Alamannen als gens populosa, d. h. als ein volkreicher Stamm bezeichnet. Aus den Texten geht außerdem hervor, dass die römisch-alamannische Nachbarschaft „überwiegend durch friedliche Koexistenz und vertragliche Bindung“ geprägt war (Hoeper 2003). Dieser Frieden erweist sich aber in der Folge als zunehmend fragil: Nach einer Reihe von alamannischen Einfällen in römisch verwaltetes Gebiet fällt 259/60 n. Chr. der obergermanisch-rätische Limes. Die römischen Einheiten werden hinter den „nassen Limes“ entlang des Rheins, der Iller und der Donau zurück gezogen. Damit geht eine Abwanderungsbewegung der romanischen Bevölkerung aus den preisgegebenen Gebieten einher. Angesichts der unsicheren Lage und dem Verlust des Militärs als wichtigem Abnehmer für landwirtschaftliche Produkte, werden die römischen Gutshöfe (villae rusticae) aufgegeben. In den befestigten Kleinstädten und Dörfern (vici) sprechen aber römische Münzreihen und die Weiterbelegung der Friedhöfe für eine Bevölkerungskontinuität bis ins 4. Jh. n. Chr.. Man nimmt an, dass romanische Handwerker und Händler mit ihren weitläufigen Verbindungen sich zum beiderseitigen Nutzen mit den neuen Herren arrangieren können (Christlein 1978). Alamannische Präsenz in den romanischen Siedlungen ist allerdings nur durch Einzelfunde belegt.
Obwohl das Land den alamannischen Siedlern nun offen steht, verläuft die Aufsiedlung südlich der alten Limeslinie in den nächsten zwei Jahrhunderten nur zögerlich. Die Forschung geht von der Einwanderung kleiner Gruppen aus (Schreg 2006). Bis ins frühe 4. Jh. n. Chr. werden vorrangig grenznahe Gebiete am ehemaligen Limes und im Neckarmündungsgebiet besiedelt.
Nicht die Bodenqualität oder das Klima sind Ausschlag gebend für die Wahl eines neuen Siedlungsstandortes, sondern die Orientierung an der römischen Infrastruktur. Landwirtschaftlichen Feldfluren und offene Flächen um die verlassenen Kastelle sind bereits durch Rodungen und Straßen erschlossen und werden deshalb bevorzugt aufgesucht. Jedoch veröden diese frühen alamannischen Siedelplätze meist schon im 4. Jh. n. Chr. wieder. Zusätzlich werden Plätze gewählt, an denen Bodenschätze wie z. B. Bohnerz oberflächennah zu gewinnen sind (Fingerlin 1997, Schreg in Vorb.).
Nach zahlreichen Siedlungsgründungen ist das Dekumatland (agres decumates, das Land zwischen Rhein, Donau und dem obergermanisch-rätischen Limes) im 5. Jh. n. Chr. weiträumig, aber dünn besiedelt. Obwohl bereits um 400 n. Chr. die römischen Truppen vom Rhein abgezogen worden sind, wird das Land an Ober- und Hochrhein erst über 100 Jahre später dauerhaft in Besitz genommen (Christlein 1978, Knaut 1996).
Auf dem Höhepunkt der Völkerwanderung im 5. Jh. n. Chr. ist die Alamannia Durchzugsgebiet. Bei der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern 451 n. Chr. kämpfen Alamannen auf Seiten der Hunnen und vermutlich auch zur Unterstützung der Römer (Geuenich 1997). Nach dem Zusammenbruch des Hunnenreiches dehnen die Alamannen ihr Siedelgebiet im Westen bis an den Mittelrhein und nach Ostfrankreich, im Osten bis nach Passau aus (Knaut 1996).
Um das Jahr 500 n. Chr. geraten die Alamannen in direkte Konfrontation mit dem expandierenden Frankenreich. Nach der Schlacht bei Zülpich 496/97 n. Chr. fallen die Alamannen unter fränkische Oberhoheit. Eine Fluchtwelle aus den nördlichen Stammesgebieten setzt ein und führt zur Gründung zahlreicher Siedlungen und Reihengräberfelder im Süden Alamanniens (Christlein 1978).
Zehn Jahre später dringen die Franken unter Chlodwig in alamannisches Kernland ein. Die Zerstörung von Höhensiedlungen (u. a. Runder Berg, Zähringer Burgberg) wird mit diesen Ereignissen in Verbindung gebracht. Das Auftauchen alamannischer Fibelformen in Bayern und Oberitalien bestätigt die historische Überlieferung nach der Theoderich, König der Ostgoten, dem vertriebenen Adel in seinem Reich Exil gewährt hat (von Freeden 1996). Ob aber „diese Verwerfungen im Sozialgefüge (...) auch die normale Bevölkerung und die bäuerlichen Siedlungen betroffen [haben], bleibt fraglich“ (Schreg in Vorb.).
Bis 536 n. Chr. wird das alamannische Siedlungsgebiet vollständig in das Frankenreich eingegliedert (Knaut 1996), was sich unter anderem durch Grabbeigaben im fränkischen Stil bemerkbar macht (Schreg 2006).
Dennoch beginnt bald darauf eine neue Phase intensiver Siedlungstätigkeit. Um 700 n. Chr. ist der Landesausbau in vollem Gange mit einer Siedlungsverdichtung im Altsiedelland und der Expansion in bisher unbewohnte oder nur zeitweise aufgesuchte Gebiete im Schwarzwald. Tatsächlich scheint sich nach neuesten Forschungsergebnissen abzuzeichnen, dass über ihre Ortsnamen datierte Siedlungen des 7. bis 9. Jh.s n. Chr. oftmals schon in voran gehenden Jahrhunderten als „abhängige, möglicherweise nur saisonale Siedlungen (...) ohne eigene Gräberfelder und ohne eigene Ortsnamen“ bestanden haben (Schreg in Vorb.).
Erst jetzt wird die Besiedlungsdichte der römischen Kaiserzeit wieder erreicht. Die Neuansiedlungen gehen übrigens wohl nicht auf private Initiative zurück, sondern erfolgen im größeren Verband mehrerer Familien und möglicherweise bereits durch grundherrschaftliche Lenkung (Christlein 1978). Schon ab dem 7. Jh. deuten nämlich besonders reich ausgestattete Gräber die Herausbildung einer Adelsschicht an (Knaut 1996). Als Vorläufer der Pfalzen entstehen während der Merowingerzeit größere Siedlungen mit „Mittelpunktsburgen“, z. B. in Ulm (Schreg 2006).
Im 8. Jh. wird die Beigabensitte aufgegeben. Daher gibt es keine Möglichkeit, die Siedlungsentwicklung der folgenden Jahrhunderte, also beispielsweise die Expansion in die Schwarzwaldtäler, feinchronologisch zu verfolgen.
Das Bild der Siedlungen
In den letzten Jahrzehnten hat sich der Forschungsstand im Bezug auf die Siedlungen, die lange hinter den Gräberfeldern zurück standen, erheblich verbessert. Dennoch sind nicht-eingetiefte Pfosten- oder Ständerbauten auf den landwirtschaftlich intensiv genutzen Böden nur selten erhalten (Fingerlin 1997).
Wie auch bei anderen germanischen Stämmen üblich, so ist ein typisches alamannisches Gehöft in Holzbauweise errichtet. Zu einem zwei- oder dreischiffigen Haupthaus (5-6 m auf 12-15 m) gehören ein oder mehrere Nebengebäude, Grubenhäuser (2-3 m auf 4-6 m, ca. 1 m tief) mit einfachem hölzernen Überbau und gesteltzte, vier- bis achteckige Speicherbauten. Die Ost-West-Orientierung der größeren Gebäude bietet eine minimale Angriffsfläche für die in der Region vorherrschenden Westwinde (Schreg 2006). Brunnen, Öfen und ein Zaun um das Hofgelände vervollständigen das Bild. Bewohnt werden diese Gehöfte von Familien, die sich das Haupthaus wohl mit ihrem Vieh teilen. Öffentliche Gebäude sind bisher in den ländlichen Siedlungen des Frühmittelalters nicht nachgewiesen (Schreg 2006). Ein Ortsetter (Wehrzaun um ein Dorf) ist ebenfalls nicht belegt (Christlein 1978).
Die begrenzte Haltbarkeit von Holzbauten führt zu einer ständigen Verschiebung und Verlagerung des Siedlungsplatzes im Laufe der Jahrhunderte. Zu kleine archäologische Grabungsflächen stellen hier ein Problem dar (Siedlungsabbruch?). Diese dynamische Entwicklung findet erst um 1200 n. Chr. mit der Durchsetzung der Grundherrschaft, der Herausbildung des mittelalterlichen Dorfes und der Einführung der Dreizelgenwirtschaft ein Ende (Hoeper 2003, Schreg in Vorb.).
Die übliche Siedlungsformen sind Einzelgehöfte oder Weiler, Dörfer gab es zumindest vor der Merowingerzeit nur in Form weitläufiger Streusiedlungen. Wie bereits erwähnt, nehmen die frühen Gehöfte oft räumlichen Bezug auf römische Landgüter. Noch intakte Steingebäude werden dabei weiter genutzt und gelegentlich ausgebessert, allerdings kommt es nicht zur Imitation dieser technisch wohl unverstandenen Bauweise. Die neuen Siedler „errichten über und zwischen den teilweise zerstörten römischen Bauten ihre traditionellen Holzhäuser, Pfostenbauten und 'Grubenhäuser'“ (Fingerlin 1997).
Ein anschauliches Bespiel ist der Fundplatz „Burgsteig“ in Wurmlingen an der oberen Donau. Bereits kurz vor 260 n. Chr. war das Hauptgebäude einer villa rustica abgebrannt und nicht wieder aufgebaut worden. Die letzte römische Münze datiert auf das Jahr 256/57 n. Chr.. Die alamannische Übernahme erfolgt rasch, denn die nächstfolgende Münze wurde 261 n. Chr. geprägt. Das noch intakte Badehaus wird mit einem neuen Dach in Pfostenbauweise versehen und als Wohnhaus genutzt. Ein weiteres römisches Gebäude wird zur improvisierten Werkstatt (Fingerlin 1997). Nach wenigen Generationen wird der Siedelplatz aufgegeben, die Schlussmünze stammt aus dem Jahr 347/48 n. Chr.. Möglicherweise steht hinter diesem allgemein beobachtbaren Phänomen eine Abwanderung in die limesnahen linksrheinischen Gebiete (Elsass, Schweizer Mittelland; Fingerlin 1997). Andererseits befinden sich die späteren Gründungen mit den ältesten überlieferten Ortsnamen auf -ingen (ab dem 5. Jh. n. Chr., s. u.) auf landwirtschaftlich stärker begünstigten Flächen.
Im 6. und 7. Jh. n. Chr. sind Flachlandsiedlungen in der Regel an Bachläufen gelegen, das Reihengräberfeld ist nur wenige hundert Meter entfernt. Aus dieser Zeit kennen wir zum Beispiel die relativ große Siedlung von Mittelhofen bei Lauchheim. Eine dort dokumentierte 60 m x 60 m große umzäunte Hofanlage wird als „Herrenhof“ einer adeligen Familie angesprochen. Auffallend ist die große Zahl an Speicherbauten und eine spätmerowingerzeitliche Hofgrablege mit sehr reich ausgestatteten „Adelsgräbern“.
In den letzten Jahren hat sich der Forschungsstand im Hinblick auf die Siedlungen deutlich verbessert. Dennoch ist es derzeit nicht möglich, mit Hilfe der typologisch unempfindlichen Siedlungskeramik auf weniger als 2-4 Generationen genau zu datieren. Oftmals fehlen hier noch die Verknüpfungspunkte mit den Grabbeigaben (Hoeper 2003, Schreg 2006).
Höhensiedlungen
Neben verstreuten Gehöften und Weilern gibt es auch Bevölkerungskonzentrationen in befestigten Höhensiedlungen. Mittlerweile sind schon über 60 Fundplätze des 4. und 5. Jh.s n. Chr. auf der Schwäbischen Alb, im Hegau und am Bodensee, seltener am Westrand des Schwarzwaldes und am Main bekannt. Nur zehn davon konnten aber bislang durch systematische archäologische Untersuchungen als Siedelplätze bestätigt werden (Fingerlin 1997, Hoeper 1998). Am besten untersucht sind der Runde Berg bei Bad Urach, der Zähringer Burgberg bei Freiburg und der Geißkopf bei Offenburg.
Leider konnte bisher bei keiner der Höhensiedlungen aus dem Gewirr an Pfostengruben im flachgründigen Boden der Hochflächen die Bebauungsabfolge klar heraus gearbeitet werden. Aussagen über den Charakter der Ansiedlung können daher nur durch die Interpretation der Funde getroffen werden.
Das am häufigsten zitierte und am besten untersuchte Beispiel einer alamannische Höhensiedlung ist der Runde Berg bei Bad Urach. Es handelt sich hierbei um einen steilen Bergkegel mit einer schmalen Kuppe von ca. 120 m x 40 m am Nordrand der Schwäbischen Alb. Zwischen 1967 und 1984 fanden hier Ausgrabungen auf der gesamten Hochfläche statt (Hoeper 1998). Im 4. Jh. n. Chr. beginnt die frühmittelalterliche Besiedlung, was sich in mühsam in den Fels eingetieften Pfostenlöchern und Grubenhäusern niederschlägt. Im frühen 6. Jh. n. Chr. deuten Brandschutt und zahlreiche Versteckfunde mit Schmuck und Werkzeugen eine dramatische Zuspitzung der alamannisch-fränkischen Auseinandersetzungen an. Erst 150 Jahre später wird der Platz erneut besiedelt.
Im Fundmaterial finden sich viele Objekte römischen Ursprungs, darunter Geschirr aus Terra Sigillata und Terra Nigra mit ca. 85 %-igem Anteil am Keramikinventar (!). Ein Brettspiel, Münzen, aber auch Waffen und Teile von spätrömischen Militärgürteln unterstreichen die engen Beziehungen einiger alamannischer Krieger zum römischen Militär. Im durch einen umlaufenden Wall separierten Osten der Siedlung treten konzentriert qualitätvolle römische Glasgefäße auf. Zu den Alltagsgegenständen gehören Schmuck, Spinnwirtel und Webgewichte, welche die Anwesenheit von Frauen, beziehungsweise ganzer Familien, in der befestigten Siedlung wahrscheinlich machen. Überreste von Bronze- und Silberverarbeitung, sowie von Gagat- und Beinschnitzerei, belegen spezialisiertes Handwerk, das vermutlich für die Versorgung der gesamten Region von Bedeutung war. Zeitgleich mit der Siedlung am Runden Berg gibt es auch auf dem Zähringer Burgberg eine alamannische Befestigungsanlage mit sehr ähnlichem Fundbild. Dort kommen aber Hinweise auf Holzhandwerk und Eisenschmiederei noch hinzu.
Das Fundinventar dieser Höhensiedlungen ist also deutlich abgesetzt von dem ländlicher Siedlungen. Prunkobjekte, wie etwa eine Goldgriffspatha vom Runden Berg, lassen an eine soziale Oberschicht denken. Der gehobene Lebensstil hat eine deutlich römische Prägung. Von den meisten Autoren werden die Höhensiedlungen mit den Herrschaftssitzen oder “Gauburgen” der bei A. Marcellinus erwähnten (Klein-)Könige (reguli bzw. reges) gleich gesetzt. Eine kriegerische und eine handwerkliche Komponente sind an den besprochenen Plätzen jedenfalls gut fassbar.
Etwas anders ist die Situation am Geißkopf, der sich durch zahlreiche Waffenfunde – Pfeil-, Bolzen-, Speer- und Lanzenspitzen, Beile, Schwerter und Knaufhammeräxte – von den schon erwähnten Höhensiedlungen abhebt. Dieser Befund hat Hoeper (1998) veranlasst, den Geißkopf mit den ebenfalls bei A. Marcellinus beschriebenen „Fluchtburgen” in Verbindung zu bringen. Fingerlin (1997) deutet den Platz als „Heerlager”.
Friedhöfe und Sakralbauten
In der Frühzeit der Besiedlung werden die Toten in Einzelgräbern oder kleinen Grabgruppen in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Gehöften bestattet. Bei den reich ausgestatteten Körpergräbern ist der Anteil an römischen Importstücken hoch. Ab der zweiten Hälfte des 5 Jh.s n. Chr. bis um 700 n. Chr. werden Reihengräberfelder angelegt. Sie befinden sich sehr häufig in unmittelbarer Nähe zu einer Siedlung, weshalb ihre Anwesenheit oft als Argument für die Präsenz einer zerstörten oder bisher nicht entdeckten Siedlung heran gezogen wird. Diese Gräber sind unsere Hauptquellengattung für die archäologische Rekonstruktion der Merowingerzeit in Südwestdeutschland. Das vollständig ergrabene Reihengräberfeld von Lauchheim mit etwa 1.300 Bestattungen vermittelt einen Eindruck von der Größe solcher Friedhöfe; ein weiteres Beispiel ist Mengen mit gut 1.000 dokumentierten Gräbern.
Ab dem 8. Jh. n. Chr. verlagern sich die Bestattungsplätze wieder hin zu den Gehöften, wobei die Oberschicht mit der Einrichtung von Hofgrablegen offenbar den Anfang macht (Hoeper 2003).
Im Zuge der Christianisierung wird im 7. Jh. n. Chr. ein neuer Gebäudetyp nach Südwestdeutschland eingeführt: Die Kirche. Als sogenannte Eigenkirche ist sie noch Privateigentum des Adels und nicht etwa ein öffentliches Gebäude der Dorfgemeinschaft. Während die kleinen Saalbauten mit Apsis zunächst in gewohnter Holzbauweise errichtet werden, setzen sich Steinbauten allmählich durch und werden in späteren Jahrhunderten oft zu Kristallisationspunkten für ein mittelalterliches Dorf (Knaut 1996, Schreg 2006, in Vorb.). Ab dem 8. Jh. n. Chr. werden die ersten Klöster gegründet, die ebenfalls zu einem wichtigen Element der Siedlungslandschaft werden (Schreg 2006). Veränderte Glaubensvorstellungen führen in dieser Zeit zur Aufgabe der Beigabensitte.
Ortsnamen
Durch die Auswertung der heutigen, bzw. historisch überlieferten, Ortsnamen kann die Besiedlungsgeschichte Alamanniens aus einer weiteren Perspektive betrachtet werden. Eine ältere Namensschicht auf -ingen und -heim wird auf den Zeitraum vom 5. bis ins 7. Jh. n. Chr. datiert, was durch den Abgleich mit dem archäologischen Fundgut aus zugehörigen Reihengräberfeldern möglich ist. Die Orte auf -ingen (z. B. Mengen, Buggingen) liegen zumeist auf sehr guten Böden und sind mit den ältesten Reihengräberfeldern assoziiert. Auf Grund der landwirtschaftlichen Gunstlage fallen diese Orte im Laufe des Mittelalters seltener wüst als spätere Gründungen.
Orte auf -heim sind dagegen eher verkehrsgeographisch ausgerichtet, d. h. sie säumen vor allem die alten römischen Fernstraßen. Steht vor der Endung -heim ein Personenname im Genitiv (z. B. Hartheim, Grißheim), dann sind diese Gründungen mit einiger Wahrscheinlichkeit dem 6. Jh. n. Chr. zuzurechnen. Eine Ortsbezeichnung als Vorsilbe (z. B. Kirchheim, Westheim) verweist hingegen auf eine Gründung im 7. Jh. n. Chr.; diese Siedlungen gehören also zur jüngeren Ortsnamensschicht auf -hofen, -hausen, -stetten und -weiler. Diese Orte gehören in die Phase des massiven Landesausbaus ab der zweiten Hälfte des 7. Jh.s n. Chr. (s. o.), also in die späte Merowinger- und Karolingerzeit. Jünger noch sind Ortsnamen auf -rode, -wald, -bach, -reut, -buch und -hülen (Hoeper 2004, Schreg in Vorb.).
Verwendete Quellen und Literatur
CHRISTLEIN R. (1978): Die Alamannen. Archäologie eines lebendigen Volkes. Stuttgart: Konrad Theiss Verlag.
FINGERLIN G. (1997): Siedlungen und Siedlungstypen. Südwestdeutschland in frühalamannischer Zeit. In: FUCHS K.H. (Hg.), S. 125-134.
FUCHS K.H. ET AL. (Red.) (1997): Die Alamannen. Begleitband zur Ausstellung "Die Alamannen". Stuttgart: Konrad Theiss Verlag.
GEUENICH D. (Hg.) (1998): Die Franken und die Alemannen bis zur "Schlacht bei Zülpich" (496/97). Berlin, New York: Walter de Gruyter.
GEUENICH D. (1997): Geschichte der Alamannen. Stuttgart, Berlin, Köln: Verlag W. Kohlhammer.
HOEPER M. (2004): Die Ortsnamen im Breisgau. Eine Fallstudie zum Vergleich der archäologischen Ergebnisse der Besiedlungsentwicklung im Breisgau mit der Ortsnamenforschung. In: Hans Ulrich Nuber (Hg.), S. 77-99.
HOEPER M. (2003): Alamannische Besiedlungsgeschichte nach archäologischen Quellen. Ein kurzer Abriß der Besiedlungsentwicklung des frühen Mittelalters in Südwestdeutschland. In: Lorenz S. (Hg.), S. 13-37.
HOEPER M. (1998): Die Höhensiedlungen der Alemannen und ihre Deutungsmöglichkeiten zwischen Fürstensitz, Heerlager, Rückzugsraum und Kultplatz. In: Dieter G. (Hg.), S. 325-348.
KNAUT M. (1996): Die Alamannen. In: o. V. (Hg.): Die Franken — Wegbereiter Europas, S. 298-307.
LORENZ S., SCHOLKMANN B. (Hg.) (2003): Die Alamannen und das Christentum. Zeugnisse eines kulturellen Umbruchs. Leinfeld-Echterdingen: DRW-Verlag.
NUBER H. U., STEUER H., ZOTZ TH. (Hrsg.) (2004): Der Südwesten im 8. Jahrhundert aus historischer und archäologischer Sicht. Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag.
O. V. (1996): Die Franken — Wegbereiter Europas. Mainz: Verlag Phillip von Zabern.
SCHREG R. (in Vorb.): Die Erschließung der Siedlungslandschaft. In: Katalog zur Wanderausstellung „Die Alamannen zwischen Schwarzwald, Neckar und Donau“.
SCHREG R. (2006): Dorfgenese in Südwestdeutschland: Das Renninger Becken im Mittelalter. Stuttgart: Konrad Theiss Verlag.
VON FREEDEN U. (1996): Die Bajuwaren — Nachbarn der Franken. In: o. V. (Hg.): Die Franken — Wegbereiter Europas, S. 308-318.