Germanen im Wandel der Geschichte
Die kollektiv als „Germanen” bezeichneten Stämme Mittel- und Nordeuropas im 1. Jahrtausend n. Chr. wurden über Jahrhunderte hinweg durch Klischees und ideologische Absichten verfremdet dargestellt. Obwohl sie zu unseren direkten Vorfahren gehören, sind sie uns weniger vertraut als die Ägypter der Bronzezeit oder die Griechen und Römer der Antike.
Wie aber waren die Germanen wirklich? Historische Wahrheit ist schwer zu finden, aber schon eine Annäherung an tatsächliche Verhältnisse stellt einen Gewinn dar. Wir kennen die germanischen Stämme aus Berichten ihrer Nachbarn und Feinde, aus Bodenfunden und Überlieferungen des Mittelalters - insgesamt muss das Bild dieser Völkerschaften wie ein Mosaik aus zahllosen kleinen Steinchen zusammengesetzt werden.
Gründe dafür liegen in der mageren Überlieferung. Bis ins Mittelalter handelt es sich um eine prähistorische, d.h. schriftlose Kultur, die keine großen Bauten und Kunstwerke hervorbrachte. Dies machte das Bild der „alten Deutschen“ sehr vage und öffnete im 19. und 20. Jh. Tür und Tor für idealisierte Interpretationen von heldenhaften Vorfahren.
Durch das aufkommende Nationaldenken wollte man sich durch die Identifikation mit den vermeintlichen Ahnen von anderen Nationen abgrenzen – die Monumentalstandbilder von Vercingetorix in Frankreich und des Cheruskers Hermann in Deutschland sprechen Bände.
Im Vorfeld des Ersten Weltkrieges wich die romantische Verklärung einem besitzergreifenden „Blut und Boden“- Denken, dessen finale Auswüchse mit der Erfindung des arischen Herrenmenschen im Nationalsozialismus hinlänglich bekannt sind. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges folgte eine Phase des verschämten Totschweigens, danach die moderne Veralberung des saufenden Barbaren, der sich in keiner Weise von der Witzfigur des Wikingers unterschied. Erst kürzlich wurden die Germanen, von der esoterischen New-Age-Bewegung zu naturverbundenen „europäischen Indianern” verklärt.