Gesellschaftliche Stellung der Frauen
Römische Schriftsteller beschrieben die Rolle der Frauen der Germanen im allgemeinen und der Alamanninen im Besonderen mit den folgenden Worten:
Die Frauen betrachtet ein jeder als die heiligsten Zeugen, und auf ihre Anerkennung legt er den höchsten Wert. Zur Mutter, zur Gattin kommen sie mit ihren Wunden, und ohne Zagen zählen und untersuchen diese Schläge und Stiche; auch bringen sie den Kämpfenden Speise und feuern sie an. (Tacitus, Germania)
Manche Schlachtreihe, die schon ins Wanken geraten war und zurückflutete, brachten die Frauen ... wieder zum Stehen: Sie bestürmten die Krieger unablässig mit Bitten, hielten ihnen ihre entblößte Brust entgegen und wiesen auf die unmittelbar drohende Gefangenschaft hin, die die Germanen viel leidenschaftlicher für ihre Frauen fürchten. ... Den Frauen ist sogar ... eine gewisse Heiligkeit und Sehergabe eigen, und deshalb achten sie ihren Rat und hören auf ihren Bescheid. (Tacitus, Germania)
So lebt die Frau in wohlbehüteter Sittsamkeit, nicht verdorben durch lüsterne Schauspiele oder verführerische Gelage. ...Daher kommt auch in einem so zahlreichen Volke nur ganz selten ein Ehebruch vor. Die Bestrafung erfolgt auf der Stelle und steht dem Manne zu. Vor den Augen der Verwandten schneidet er der Ehebrecherin das Haar ab, reißt ihr das Gewand herunter und prügelt sie durch das ganze Dorf. Einer Frau, die ihre Keuschheit preisgibt, wird nicht verziehen. ... Die Zahl der Geburten zu beschränken oder ein nach dem Erben geborenes Kind zu töten, gilt als Schandtat, und mehr vermögen dort gute Sitten als anderswo gute Gesetze. (Tacitus, Germania)
Antonius (M. Aurelius Antonius, genannt Caracalla) zog gegen die Alamannen, erkaufte aber den Sieg, oder was so aussah, mit Geld. Er nahm auch Frauen als Kriegsgefangene, wobei die Frauen zu bewundern waren: als er sie fragte, ob sie verkauft oder getötet werden wollten, sagten sie “getötet werden”. Als sie verkauft wurden, töteten die meisten sich selbst. (Cassius Dio (S.10, Z. 1-7))
Das Bild, das diese Quellen vermitteln ist naturgemäß unvollständig und von der römischen Propaganda geprägt. Einen besonderen Eindruck dürfte zudem der Zug der Kimbern und Teutonen bei den Römern hinterlassen haben, der auch in späterer Zeit in der Darstellung der germanischen Frauen weiterwirkt. Insbesondere die kriegerische Rolle der Frauen erscheint doch stark übertrieben. Neuere Funde zeigen zwar, dass Frauen durchaus auch mit vollem Kriegerornat und voller Bewaffnung bestattet wurden, dies sind jedoch eher Ausnahmefälle. Im Regelfall verweisen die Grabbeigaben eher auf eine bäuerlich - häusliche Frauenrolle.
Diese wird auch durch die Leges Alamannorum, die ab dem siebten Jahrhundert entstanden gestützt. Insbesondere geben die schwereren Strafen für die Verletzung von Frauen und Kindern Hinweis darauf, dass sie als "leichtere Opfer" besonderen Schutzes bedurften.
Hinsichtlich der Ehe und Ehevorschriften können wir davon ausgehen, dass insbesondere Tacitus im Hinblick auf Treue und Sittsamkeit gnadenlos übertreibt. Zielrichtung der Germania war vor allem der "verkommenen" römischen Elite einen Spiegel vorzuhalten und ein wunderbares Naturvolk zu beschreiben.
Gegen diese tacitäische Beschreibung sprechen auch die Ehe und Scheidungsnormen der Leges Alamannorum. Zwar datieren sie deutlich später, dennoch können auch aus ihnen Rückschlüsse auf frühere Rechtsauffassungen gezogen werden. Sie zeigen, besonders im Vergleich des älteren Pactus mit dem jüngeren Lex klar auf, dass Ehescheidung incl. Güterstandsregelungen warscheinlich gängig waren. Erst mit der zunehmenden Christianisierung traten sie im Eherecht in den Hintergrund, und das Ehestrafrecht in den Vordergrund.