Kampfweise der Alamannen
Obwohl das „kriegerische Leben“ der Barbaren in griechischen und römischen Quellen oft genannt wird, sind uns wenige Informationen überliefert, wie die Kriegsführung und Kampfweise tatsächlich aussah. Die wenigen Anspielungen z.B. bei Caesar oder Tacitus lassen sehr viel Interpretationsspielraum, und auch für die Völkerwanderungszeit sieht es ähnlich aus.
Als sicher angesehen werden kann aber, dass die Alamannen „geübte“ Kämpfer waren. Römische Quellen berichten von wiederholten Raubzügen der Alamannen bis nach Norditalien hinein. Außerdem herrschte auch bei den Alamannen, wie bei allen germanischen Völkern, der Brauch der Blutrache. Die ständigen Fehden, denen ganze Sippen zum Opfer fielen, wurden erst nach der Christianisierung der Alamannen durch den Einfluss der Kirche abgeschafft. Untersuchungen an Skeletten aus frühmittelalterlichen Gräbern zeigten, dass etwa jeder fünfte Mann Spuren bewaffneter Gewalteinwirkung aufwies, die bis auf den Knochen reichte. Nordgermanische Sagas späterer Zeit geben einen guten Eindruck, wie wichtig kämpferische Qualitäten für das Ansehen eines Mannes waren, und wie hoch dementsprechend die Gewaltbereitschaft.
Diese ständige Kampfbereitschaft führte dazu, dass Rom germanische Krieger in zunehmender Zahl rekrutieren konnte, um Verluste durch Bürgerkriege und Kämpfe gegen die Parther in Persien auszugleichen. Zeitweise, vor allem im 3. Jh. n. Chr., sollen mehr als die Hälfte aller römischen Soldaten germanischer Abkunft gewesen sein! Auch alamannische Krieger standen im 4.Jh. in römischen Diensten - und schützten den späten Limes gegen alamannische Plünderer.
Kleinere Scharmützel unter Alamannen kann man sich wohl am ehesten als bewaffnete Schlägereien unter Hooligans vorstellen. Gekämpft wurde hauptsächlich mit Speer und Schild. Im Handgemenge kamen Messer, Saxe und Schwerter zum Einsatz.
Über Aufstellungen und Taktiken in ausgewachsenen Schlachten können nur vage Aussagen getroffen werden. Die Germanen und später speziell die Alamannen galten zwar als hervorragende Reiter, die Hauptlast des Kampfes dürfte aber bei der „Fußtruppe“ gelegen haben. In Zeiten, in denen der Schild klein und dank eines Dorns auf dem Schildbuckel zum Stoßen gedacht war (v.a. im 1. Jh. und im 6.Jh.), dürfte die Kampfweise eher individuell gewesen sein, in offenen Verbänden und sehr offensiv. Für das 3.-4. Jh. dagegen zeugen große Schilde und glatt gewölbte Schildbuckel von geschlossenen Schlachtreihen und Druck durch hintere Linien. Über das Drücken und Schieben in solchen Schildwällen ist man aus spätrömischen und frühangelsächsischen Quellen relativ gut unterrichtet. Ziel in der Schlacht war oft, den gegnerischen Schildwall aufzubrechen. Eine Möglichkeit war der Ansturm in Keilformation (lat. cuneus, im Germanischen als „Eberkopf“ bezeichnet), um die gegnerische Schlachtreihe zu durchbrechen und somit aufzulösen.
Vermutlich wurde in Familien- und Sippenverbänden gekämpft. Wenn ein örtlicher Adliger oder König zum Kampf aufrief, dürften dessen direkte Gefolgsleute als Anführer von Truppenteilen fungiert haben. Ansonsten waren diese „Elitekämpfer“ sicherlich die Leibwache des Gefolgsherren und standen in der Schlachtreihe an den kritischen Stellen.
Die Schlacht dürfte durch ausgiebige Droh- und Spottrituale vorbereitet worden sein, vielleicht auch durch magische und religiöse Handlungen; Schlachtgesänge (barritus) und Waffentänze haben zumindest in der Frühzeit die Kampflust der Männer steigern sollen.
Der Beginn einer Schlacht wurde durch Plänkler mit Beschuss aus Pfeilen und Wurfspeeren eingeleitet. Meist waren das die Jungkrieger, die sich noch aus dem ernsthaften Handgemenge heraushalten sollten. Auf kürzere Distanzen (bis 20 m) kam dann die Franziska zum Einsatz. Man versuchte damit die gegnerische Schildreihe, kurz vor dem Zusammentreffen, noch einmal „aufzulockern“. In größeren Verbänden kämpfte man dann anfangs eher mit dem Körpergewicht. Die eigene Schildreihe versuchte die gegnerische zu durchbrechen oder wegzuschieben. Speere waren hierbei sicherlich aufgrund der größeren Reichweite die bevorzugten Waffen. Im Handgemenge, beim Kampf Mann gegen Mann, wurden dann Schwerter, Äxte, Saxe, Messer und wahrscheinlich auch Keulen oder Knüppel eingesetzt. Dieser individuelle Kampf wurde vermutlich mit viel Kraft ausgetragen, der enge Raum bot wenig Gelegenheit für kompliziertere Bewegungen. Man versuchte den Schild des Gegners zu umgehen oder ihn zu zerschlagen.
Da nur die wenigsten über eine Körperpanzerung wie Kettenhemd oder Helm verfügten, war ein Kampf immer eine hochriskante Angelegenheit. Schon kleine Wunden konnten zu tödlichen Wundinfektionen führen; auch Wundstarrkrampf (Tetanus) stellte ebenfalls ein Risiko dar. Stiche in den Bauchraum führten durch Infektionen unweigerlich zu einem qualvollen Tod, Hiebe an den Extremitäten sicherlich oft zu bleibenden Behinderungen, wenn sie nicht durch starke Blutung tödlich endeten.
Der Kampf war also eine Gelegenheit, Ruhm und Reichtum zu erwerben, aber auch eine bedrohliche Angelegenheit. Angesichts dieses Risikos kann über die Verwendung von Alkohol und heimischen Drogen vor der Schlacht als „Muntermacher“ gerne spekuliert werden.
Stephan Bernau / Teutomar von den Ask