Hlorridi

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Ich bin Hlorridi, Bronzegießer auf Matizzos Burg oberhalb der Ermsauen. Mein Vater Folkher kam hierher nach seinem Dienst im römischen Heer in den Einheiten der Exploratores.

Während seiner Stationierung in Achaia hat er meine Mutter Helena kennengelernt, von der ich auch meinen kleinen Wuchs und die dunklen Haare geerbt habe. Sie ist ihm nach Alamannien gefolgt.

Es ist sicherer geworden, jetzt wo wir unser eigenes Land haben und unsere eigenen Herren sind. Meine Eltern haben sich Matizzos Sippe angeschlossen und besitzen nun einen der größeren Höfe im Tal. Dort bin ich aufgewachsen.

Matizzo hat viel Reichtum und Macht gesammelt über die Jahre hinweg. Wein, gutes Klima, eine geschützte Lage und die Kontrolle des Verkehrs hinauf auf die Alb haben ihn zu einem mächtigen Mann gemacht. Er beschloss eine Hochburg auf dem Runden Berg (1) bei den Wasserfällen zu errichten. Dafür rekrutierte er wehrfähige Männer und gute Handwerker, denn Handel bringt Geld, Geld bringt Macht und Macht bringt Gefahr.

So wurde ich als Sohn eines Bondi (2) einberufen in das Schutzheer Matizzos. Lange war es friedlich, und außer der Kontrolle des Durchgangsverkehrs und dem Zurückschlagen vereinzelter Räuberbanden war wenig zu tun. Ich freundete mich mit dem Schmied und Bronzegießer Arne an, der seine Werkstatt auf dem Berg aufgeschlagen hatte. Bei ihm lernte ich mein Handwerk.

Nun bin ich fast zehn Jahre schon nicht mehr auf dem Hof meiner Eltern. Matizzo, mein Fürst, ist alt geworden und scheinbar bereitet er alles vor, die Geschäfte seinem Sohn zu übertragen. Zum letzten Midwinterthing hat er vor den Augen aller freien Familien seiner Sippe seine Getreuen geehrt und mit Geschenken (2) deren Stand und Ansehen gefestigt. Ich habe eine Spatha von ihm bekommen, die er nur für mich bei Arne in Auftrag gegeben hatte. Eine sehr neue und edle Art Waffe, wahrlich ein großes Geschenk. Auch noch nach Matizzos Herrschaft werde ich ein geachteter Freier bleiben.

Doch leider weiß keiner, wie lange wir noch so unbeschwert hier leben werden. Milanesische Händler erzählen immer mehr von neuen Kulten und Religionen, die langsam auch unsere Länder erreichen. Immer öfter hört man von Dörfern, die ihre Thinglinde gegen das Christenkreuz (3) tauschen und auch die Franken sammeln ihre Truppen und werden stark. Man sagt, sie seien im Bunde mit dem Christengott und gierten nach Macht. Ich bin Alamanne und bleibe Alamanne, und wenn ich eines Tages hier weg muss, dann tue ich das bestimmt nicht freiwillig...

Anmerkung:

1. Auf dem Runden Berg bei Bad Urach (von "Aurach": in den Auen gelegen) befand sich eine der größten Handwerkerburgen der Völkerwanderungszeit. Schon lange davor und auch danach waren hier immer wieder Schutzburgen errichtet worden. Ob Matizzo, der Gründer von Metzingen, tatsächlich Fürst dieser Burg war ist allerdings fraglich.

2. Geschenke, vor allem Schwerter, waren wichtige Auszeichnungen von Anführern und Herren. Gerade die Bondi (durch Eid an einen Fürsten gebundene) wurden für treue Dienste belohnt. Eine Sitte, die viel später in das feudale Lehnswesen als Schwertleite eingeflossen ist.

3. Die Blüte der alamannisch-vorchristlichen Kultur war auch die Zeit ihres Niedergangs. Christianisierung, der Übergang weströmischer Macht an germanische Fürsten und das Machtstreben der Merowinger und Franken verquickten sich zu den Wurzeln einer neuen Zeit. Die Antike war vorüber und das Mittelalter begann