Siedlung, Landwirtschaft und Ernährung der Alamannen
Einleitung
Die folgende Arbeit soll den alamannischen Hof, als die übliche Wohnform und zentrale Stätte zur Produktion der Grundversorgung der breiten Bevölkerung Südwestdeutschlands zur Völkerwanderungszeit und im frühen Mittelalter, behandeln. Dazu werden zunächst die einzelnen Gebäude, die diesen Hof bilden und deren Lage beschrieben, bevor auf die Tätigkeiten des alltäglichen Lebens auf diesem Hof, wie Handwerk, Viehzucht und schließlich auch Acker- und Gartenbau eingegangen wird.
Haus und Hof
Aussagen über Hof und Siedlung im süddeutschen Raum, für die zu behandelnde Zeit sind nicht leicht zu treffen, da hier im Gegensatz zum Norden, weniger gut erhaltene Siedlungen ergraben sind. Auch könnte erhaltungsbedingt ein verzerrtes Bild der Hofanlage entstehen, da einige Gebäude, die Grubenhäuser etwa, sehr tief, Pfostenbauten flach und etwaige Schwellbalkenkonstruktionen gar nicht eingetieft waren und somit nicht in ihrer eigentlichen Häufigkeit und Form erfasst werden können. (Siegmund 2000: 244)
Prinzipiell kann aber ein Bild wie es der Gesetztext „Lex Alamannorum“ aus dem 7./8.Jh. präsentiert, anhand archäologischer Befunde bestätigt und ergänzt werden. So beschreibt der Text einen Hof als eine, von einem Zaun umgebene, Ansammlung mehrerer sich funktional ergänzender Gebäude. Neben dem eigentlichen Wohnhaus, viereckig, einräumig und mit offenem Dachstuhl, gab es die „Stuba“, ein beheizbares kleineres Nebengebäude, das als Badehaus interpretiert werden kann, weitere kleinere Nebengebäude, so genannte Grubenhäuser, die, in den Boden eingetieft, als Arbeits- oder Handwerksräume genutzt wurden und diverse Ställe, Scheuer Vorratshäuser und Kornspeicher. Kurzum ein umzäuntes Mehrhausgehöft also, ein Einzelhof keine Gruppensiedlung. (Bücker u.a. 1997: 314)
Aus den Befunden sind häufig ein oder zweischiffige Hallenhäuser, in Firstsäulen-Bauweise mit geraden Wänden, von vier bis sieben Meter Breite und acht bis zehn Meter Länge, seltener drei- oder gar vierschiffige Großbauten von bis zu zehn auf zwanzig Meter, bekannt. Die zweischiffigen Hallenhäuser sind durch Pfostenreihen meist in zwei gleich Große Räume geteilt. Die Innenaufteilung ist aber, wohl erhaltungsbedingt, nicht immer anhand von Pfostenlöchern zu erkennen. So weisen Phosphatanalysen hin und wieder auch bei Beispielen die keine Innenaufteilung zeigen, auf Wohnstallhäuser hin, was eine Aufteilung in getrennte Stall- und Wohnbereiche wahrscheinlich macht. Diese Wohnbauten werden beinahe regelhaft von Grubenhäusern ergänzt. (Bücker u.a. 1997: 314f, Fingerlin 1997: 128 u. Siegmund 200: 244) Diese Grubenhäuser haben eine Fläche von ungefähr acht m², sind ca. einen Meter eingetieft und mit zwei bis acht Pfosten konstruiert. Häufig finden sich Spuren von großen irdenen Vorratsgefäßen, Standspuren oder Gewichte von Webrahmen in ihnen, was die Nutzung als Handwerks- oder Vorratsräume bestätigt. Richtige Kellerräume, von bis zu 2.3m Tiefe, mit Resten von Nahrungsmittelvorräten, sind erst ab dem 8./9.Jh belegt. (Bücker u.a. 1997: 316) Die weiteren, beschrieben, nicht eingetieften Nebengebäude sind im Befund oft schwer zu erkennen, aber bekannt. Ihre Gebäudefläche ist kleiner als 50m². Typische Formen sind die runden oder sechseckigen, als Getreide- oder Heuspeicher angesprochenen Bauten, von 3,5 bis vier Meter Durchmesser, oder ihre rechteckigen Gegenstücke, aus vier bis sechs Pfosten konstruiert und von ca. acht m² Fläche. (Bücker u.a. 1997: 315f, Fingerlin 1997: 128) Aus der frühalamannischen Siedlung am Sauerbach, bei Aalen, die um das Jahr 300 n. Chr. datiert sind unter anderem auch zwei künstliche Gräben bekannt, die das Wasser des Sauerbachs kanalisierten und ein Zaun aus schmalen Eichenpfosten die sich in 40 bis 50 cm Abständen insgesamt über eine Länge von ca. 20m verfolgen ließen. Auch die weiteren Baustrukturen waren aus bis zu 25cm dicken, zugebeilten Eichenpfosten. (Krause 1998: 135ff)
Alamannische Bauten waren üblicherweise aus Holz, daher müssen die Häuser wohl alle 30- 50 Jahre erneuert worden sein. Ein generationsweiser Neubau der Gebäude ist wahrscheinlich. Da es, bei ausreichend freiem Bauland, einfacher ist, neben den Ruinen des alten Hauses ein neues zu bauen, ohne vorher den Altbau abtragen zu müssen, wanderten die alamannischen Höfe, wie bis zum hohen Mittelalter üblich. (Bücker u.a. 1997: 312 u. Fingerlin 1997: 126) Die alamannischen Einzelhöfe als solche lagen anfangs locker gestreut beieinander und ballen sich erst später bis hin zu dorfähnlichen Strukturen. Die Fläche eines solchen Hofes betrug zwischen 1000 und 2000 m², doch sind auch Einzelfälle von bis zu 4000 m² bekannt (Herrenhöfe?). (Bücker u.a. 1997: 316)
Für den Südwestdeutschen Raum errechnet sich unter Heranziehung der bekannten Siedlungen und Gräberfelder (wenn man davon ausgeht, dass zu jedem Gräberfeld auch mindestens eine Siedlung gehört) eine durchschnittliche Distanz von 0,6 bis 1,2 km zwischen den einzelnen Siedlungsplätzen, womit die Distanzen in diesen Regionen um mehr als die Hälfte geringer sind als beispielsweise im Norden, am Niederrhein. (Siegmund 2000: 245f)
Die Platzwahl wurde sicherlich vom Zugang zu Frischwasser beeinflusst- Brunnen mit Stein- oder Holzausschachtung sind für den alamannischen Raum erst ab dem 7.Jh. belegt-, aber auch von der Qualität des Ackerlandes, dem leichten Zugang zu Rohstoffvorkommen und dem römischen Straßennetz etc. Daher finden sich die alamannischen Höfe oft in der Nähe alter römischer Siedlungsplätze oder gar auf diesen. Belege für die direkte Übernahme römischer Villenplätze sind Reparaturen oder Veränderungen an römischer Bausubstanz, in typisch alamannischer Art, z.B. Holzeinbauten in römischer Mauern, oder Ausbesserungen an diesen in Trockenmauerwerk. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Fundstelle Burgsteig bei Wurmlingen. Die römische Villa wurde, obwohl sie vor 260 n. Chr. teilweise abgebrannt war, ohne Reparatur, bis zu ihrer Aufgabe durch die Römer um 260 n. Chr., weiter genutzt. Kurz darauf wurde sie von einwandernden Alamannen übernommen, die in oder zwischen die römischen Gebäude ihre Pfostenkonstruktionen und Grubenhäuser setzten. So findet sich im ehemaligen römischen Wirtschaftsgebäude, auf einer Schicht römischer Ziegeltrümmer, eine Schicht die mit alamannsichen Hinterlassenschaften der Bronzeverarbeitung durchsetzt ist. Erst darüber liegen die Reste der zerfallenen Mauer des Gebäudes. Auch in das ehemalige Badehaus wurde ein zweischiffiger alamannischer Holzbau gestellt, wohl weil die Mauern noch brauchbar waren. (Bücker u.a. 1997: 316f u. Fingerlin 1997: 128ff)
Wie bereits bei den Erklärungen zu den Grubenhäusern angedeutet, gehörte zum Hofalltag auch das Haushandwerk, wie viele unterschiedliche Werkzeugfunde in den Hofanlagen beweisen. So lässt sich zeigen, dass z. B. grobe, einfache Gebrauchskeramik auf den Höfen selbst und ohne den Einsatz der schnell drehenden Töpferscheibe, hergestellt wurde. (Der langsame Wandel weg von antiken Verzierungsformen der Keramik, in der gesamten Nord-West-Schweiz deutet interessanterweise eine römische Restbevölkerung und eine langsame Durchmischung an.) Des Weiteren belegen viele Funde von Nadeln, Spinnwirteln, Webgewichten und Webbrettchen, Textilhandwerk in den Höfen. Metallhandwerk ist durch Schmiedeöfen und Schlackereste belegt, für das 4. und 5. Jh. kann anhand der Schlacke sogar Eisenverhüttung direkt am Hof nachgewiesen werden. Holz-, Knochen- und Geweihabfälle deuten das Schnitzerhandwerk an. All diese Tätigkeiten diensten der Selbstversorgung des Hofes. (Bücker u.a. 1997: 317f u. Fingerlin 1997: 131f)
Viehzucht
Die Viehzucht war die wichtigste Quelle zur Fleischversorgung der Alamannen. Jagt spielte kaum eine Rolle, wie schon die Vorläufige Auswertung der Funde der frühmittelalterlichen Siedlung Mittelhofen bei Lauchheim, von 1991 zeigte. Ca. 99% der gefundenen Tierknochen stammten von Haustieren, nur in einem Haus wurden Wildtierknochen, von Wildschwein, Rothirsch, Bieber und Braunbär entdeckt. (Kokabi 1997: 332 u. Kokabi und Rösch 1991: 215f)
Von diesen Haustieren aus Lauchheim, war wohl das Rind, das wichtigste, auch wenn es mit ca. 25% der Knochenreste nicht so häufig ist, wie der wichtigste Fleischlieferant, das Schwein, auf das ca. 40% der Knochenreste entfallen. Ungefähr 20% der Knochen können Schafen und Ziegen zugeordnet werden, wobei nur Schafe eindeutig und sicher identifiziert werden konnten. Diese waren wohl auch häufiger, weil sie für eine Garten- und Ackerbaugesellschaft, wie die der Alamannen, leichter zu halten sind und weil sie den, für das bereits erwähnte Textilhandwerk wichtigen, Rohstoff Wolle liefern. Mit über 5% der Knochenresten ist das Hausgeflügel relativ häufig für die damalige Zeit. Das Pferd spielte wohl eine wirtschaftliche Nebenrolle, woraus abzuleiten ist, dass der später noch zu erwähnende Hafer, der von den Alamannen angebaut wurde, der menschlichen Ernährung diente. (Kokabi und Rösch 1991: 216f)
Die Rinder sind seit ihrer Domestikation in der Jungsteinzeit allgemein immer kleiner geworden, erst die römische Züchtung erzielt eine Größenzunahme. Nach dem Rückzug der Römer aus Südwestdeutschland geht auch die Größe der hier verbreiteten Rinder wieder auf das Niveau vorrömischer Rinder und Rinder weiter entfernter keltischer und germanischer Gruppen zurück (von 1,30 bis 1,50m Widerristhöhe auf ca. 1m). Da sich auch in römischen Fundkomplexen die kleineren, germanischen Rinder finden ist ein Austausch in beide Richtungen, zwischen den römischen Provinzen und dem freien Germanien, anzunehmen. Neben der Verkleinerung der Rinder findet sich in der Völkerwanderungszeit noch eine andere Tendenz in der Viehzucht der Alamannen, nämlich das zunehmende Bevorzugen des Schweins als wichtigstes Haustier. (Kokabi 1997: 331f)
Auch als Grabbeigaben waren Schweine und Hühner sehr beliebt. Letztere stellen 25% der tierischen Nahrungsgrabbeigaben, aber nur 4% bei den Tierknochenfunden aus der Siedlung. Zu beachten ist hierbei aber, dass Hühnerknochen in einem verfüllten Grab relativ geschützt sind und sich besser erhalten, während sie auf den Abfallhaufen einer Siedlung z.B. Hunde- und Schweineverbiss u.ä. ausgesetzt sind und sich dort schwerer bis zur Einlagerung in den Untergrund erhalten. Aus Gräbern des 7.Jh. sind Fragmente von Hühnereiern belegt. Bemerkenswert ist, dass der Anteil von tierischen Speisebeigaben in Gräbern vom 6. zum 7. Jh. hin steigt. (Kokabi 1997: 334)
Der Vergleich von Siedlung und Gräberfeld bezüglich der Tierknochen zeigt also, dass man von häufigen Beigaben nicht auf die Häufigkeit der Haustiere auf dem Hof schließen kann. Trotzdem ist bemerkenswert, dass zum 7. Jh. auch bei den Grabbeigaben das Rind an Popularität zu Gunsten des Schweins verliert. (Kokabi 1997: 333f) Ebenfalls von den Römern übernommen und dann weiter genutzt wurden Hausgans, -ente und -katze. (Kokabi 1997: 333)
Ackerbau
Die Alamannen lebten hauptsächlich von den Früchten ihrer Felder. Im Gegensatz zu den Römern, deren landwirtschaftliche Betriebe für einen Markt produzierten und daher aus Gründen der Effektivität bereits spezialisiert waren, kultivierte jeder alamannische Einzelhof ein vielfältiges Spektrum an Nutzpflanzen zum Eigenbedarf. Dies hatte mehrere Vorteile, so treffen Missernten selten alle Arten, die Arbeitsspitzen bei Saat und Ernte werden entzerrt, da die zum jeweiligen Zeitpunkt zu bestellenden Felder der einzelnen Sorten kleiner sind, der Speiseplan wird abwechslungsreicher, bei Bedarf wird ein Fruchtwechsel auf den Feldern erleichtert, was bei großen Flächen von Monokulturen schwer fallen würde, und letztlich kann dadurch auch dem Auslaugen des Bodens entgegen gewirkt werden, denn unterschiedliche Pflanzen benötigen unterschiedliche Konzentrationen der Nährstoffe im Boden, daher verhindert ein Fruchtwechsel das übermäßige Erschöpfen eines oder weniger Nährstoffe. (Rösch 1997: 323 u. 325)
Es gibt drei Völkerwanderungszeitliche Siedlungen der Alamannen, die ausreichend Getreidereste bieten um diese zu analysieren: Mühlheim-Stetten, Mengen und Igersheim, als Nachbar des späten römischen Reiches. Die Befunde unterscheiden sich nur wenig von denen der Vorangegangenen Epoche oder der Nachfolgenden. Auffällig ist in allen Fällen ein Übergewicht an Gerste, was auf drei Arten erklärt werden kann, durch Tradition, weil diese Getreideart im Elbgermanischen Stammland die häufigste war, durch ihre besondere Eignung zum Sommerfeldbau, was mehr Zeit im Winter für andere (z .B. handwerkliche) Tätigkeiten frei hielt und bereits die Bedeutung des Bierbrauens. Daneben finden sich viele Spuren von Einkorn und Dinkel, wenige von Emmer, Nacktweizen und Hopfen und auch Roggen ist noch selten. (Rösch 1997: 323f)
Von den Pflanzenresten allgemein, die festgestellt werden konnten entfallen 60- 75% auf Getreidesorten, daneben waren zu dieser Epoche Hülsenfrüchte, vor allem Linsen aber auch Erbsen, wichtige Nährstoffquellen der Alamannen und schließlich Ölpflanzen wie gebauter Lein, aus dessen Fasern auch Textilien hergestellt werden können. Obst und Nüsse, sowohl gesammelt als auch kultiviert, hatten wohl eine größere Bedeutung, als dies ihre Überreste andeuten. (Rösch 1997: 323f u. Rösch 1988: 212)
Aus den Spuren der wenigen Ackerunkräuter kann geschlossen werden, dass auch ohne massive Düngung keine Bodenverarmung stattfand, dies wird (neben dem erwähnten Fruchtwechsel) auch auf eine mögliche Feld-Gras-Wechselwirtschaft zurückgeführt, also die Nutzung der Felder als Weiden über einige Jahre, bis sich der Boden wieder erholt hat. Möglich wird dies durch die geringe Bevölkerungsdichte im Südwestdeutschland der Völkerwanderungszeit- die Alamannische Bevölkerung ist in den ersten 200 Jahren nach der Landnahme kaum nachweisbar-, die auch in Pollendiagrammen durch eine nachweisbare Wiederbewaldung ehemaligen römischen Kulturlandes angedeutet ist. (Rösch 1997: 324)
Auch in der Merowingerzeit spricht die Vielfalt der Getreidesorten je Hof für Selbstversorgung. Hier liegen nun die Siedlungen Mühlheim-Stetten, Lauchheim, Renningen und Igersheim im Fokus der Betrachtung, wobei letztere schon unter fränkischem Einfluss steht. An Bedeutung gewinnt der anspruchsvolle Nacktweizen, was für fruchtbare Böden und ein mildes Klima spricht. Daneben und nicht unwichtiger werden Gerste, Dinkel, Hafer, Einkorn und nun auch Roggen angebaut, während der Emmer nun völlig bedeutungslos wird. Über den Stellenwert der Hirse kann keine klare Aussage getroffen werden, da sich ihre Samen kaum erhalten und selten nachweisbar sind. (Rösch 1997: 324f)
Tendenziell lösen zur Mitte des 7.Jh. Hafer, Dinkel und Nacktweizen in Lauchheim die Gerste ab, während in Mühlheim-Stetten der Nacktweizen vor dem Dinkel zum wichtigsten Getreide wird. Im fränkischen Igersheim und dem nahe der fränkischen Grenze gelegenen Renningen spielt der Roggen nun eine wichtige Rolle. Überhaupt steigt mit dem fränkischen Einfluss auch die Bedeutung des Roggens im alamannischen Raum. (Rösch 1997: 326)
Es lässt sich also eine Umstellung des Getreideanbaus in der Mitte des 7.Jh. feststellen, die ein Anzeichen für eine Intensivierung der Landwirtschaft wegen Bevölkerungswachstum andeutet. Ebenfalls dafür sprechen die Verschlechterung der Bodenqualität, die aus einer Zunahme der Unkräuter, die basenarme Böden bevorzugen, abgeleitet werden kann und die aus Pollendiagrammen ablesbare, zunehmende Entwaldung. (Rösch 1997: 326)
Anhand von Pollendiagrammen lässt sich nur die relative Veränderung von bewaldeter zu unbewaldeter Fläche feststellen, keine absoluten Werte oder gar Hektarangaben. (Rösch 1997: 329)
Die Mengen an genutzten Hülsenfrüchten gehen zu dieser Zeit zurück und erleben erst am Ende der Merowingerzeit ein Revival, während die Rolle des Wildobstes außergewöhnlich wichtig zu werden scheint. (Rösch 1997: 326)
Der Übergang von der frühmittelalterlichen vielseitigen Acker- und Gartenbaukultur in Feld-Gras-Wirtschaft, zur Selbstversorgung, hin zur per Verordnung regulierten hochmittelalterlichen Anbauweise (Dreifelderwirtschaft) zur Ernährung auch der nun aufkommenden städtischen Bevölkerung, irgendwann im 10. oder 11. Jh., kann wegen fehlender gut datierter Fundkomplexe noch nicht nachvollzogen werden. (Rösch 1997: 327)
Gartenbau
Entgegen der langjährigen Lehrmeinung der Historiker, das Fehlen von Schriftquellen über Gartenbau für die Völkerwanderungszeit und das Frühmittelalter sei ein Beleg dafür, dass es in diesen Epochen keinen Gartenbau gab, kann anhand archäologischer Fundstellen widerlegt werden. Besonders geeignet ist hier, aufgrund der dort herrschenden Feuchtbodenbedingungen, das Gräberfeld von Lauchheim, in dem ca. 190 verschiednen Pflanzenarten, darunter viele typische Gartenpflanzen, nachgewiesen werden konnten. Die Pflanzenreste sind keine Grabbeigaben, sondern sind über das Verfüllen der Gräber mit Erde auch aus dem Laufhorizont des Siedlungsareals, unbeabsichtigt mit eingetragen worden, stellen also ein Zeugnis der Alltagskultur, Momentaufnahmen der Umgebung der Gräber zum Zeitpunkt der Verfüllung, dar. (Rösch 1997: 326 u. Rösch 1993: 240)
So fanden sich in dem dendrochronologisch auf das Jahr 703 n. Chr. datierten Grab 27 beispielsweise Spuren von Koriander, Dill, Runkelrübe, Mangold, Bohnenkraut, Petersilie, Kohl und Kultursorten von Kirsche, Kornellkirsche, Pflaume und Feige, unter anderem also auch Pflanzen aus dem Mittelmeerraum, die ohne gärtnerische Pflege in Mitteleuropa schnell eingehen würden. Daher muss der Gartenbau der Römer ohne große Pausen direkt weiter geführt worden sein. (Rösch 1997: 326 u. Rösch 2006: 171)
Zusätzlich im Gräberfeld nachgewiesen sind die Gemüse- und Gewürzpflanzen Senf und Sellerie, die Ölpflanzen Rübse, Schlafmohn und gebauter Lein und die Weintraube, die allerdings auch importiert worden sein kann. (Rösch 1997: 326 u. Rösch 1993: 241f) Hinweise auf Ziergärten gibt es Allerdings nicht. (Rösch 2006: 171)
Wie schon angedeutet war wenigstens Zeitweise Sammelgut, unerwartet wichtig für die Versorgung der Alamannen. So sind beispielsweise Hasel, Schlehe, Heidelbeere, Himbeere, Brombeere und Erdbeere, Apfel und Birne nachgewiesen, wobei unter den letzten beiden Wildformen von kultivierten Formen in den Befunden nicht unterschieden werden können. Selten findet sich auch die Kulturform Haferpflaume. Konstant häufig ist der wohl wilde Hopfen, der eventuell bereits als Bierwürze eingesetzt wurde. (Kokabi und Rösch 1991: 219 u. Rösch 1993: 241f).
Verwendete Quellen und Literatur
Bücker, Ch., Hoeper, M., Höneisen, M. u. Schmaedecke, M. 1997. Hof Weiler Dorf. In: Karlheinz Fuchs (Hg.), Die Alamannen, Begleitband zur Ausstellung „Die Alamannen“. Stuttgart: Theis. S. 311-322.
Fingerlin, G. 1997. Siedlungen und Siedlungstypen. In: Karlheinz Fuchs (Hg.), Die Alamannen, Begleitband zur Ausstellung „Die Alamannen“. Stuttgart: Theis. S. 125-133.
Kokabi, M. 1997. Fleisch für Lebende und Tote. In: Karlheinz Fuchs (Hg.), Die Alamannen, Begleitband zur Ausstellung „Die Alamannen“. Stuttgart: Theis. S. 331-336.
Kokabi, M. u. Rösch, M. 1991. Knochen und Pflanzenreste des frühen Mittelalters von Lauchheim, Ostalbkreis. In: Landesamt für Denkmalpflege (Hg.), Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1990. Stuttgart: Theis. 215-220.
Krause, R. 1998. Frühe Alamannen am Sauerbach – neue Siedler nach Abzug des römischen Militärs in Aalen, Ostalbkreis. : Landesamt für Denkmalpflege (Hg.), Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1997. Stuttgart: Theis. 135-139.
Rösch, M. 1989. Pflanzenreste des frühen Mittelalters von Mühlheim a. D.-Stetten, Kreis Tuttlingen. In: Landesamt für Denkmalpflege (Hg.), Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1988. Stuttgart: Theis. 211f.
Rösch, M. 1993. Zum Fortgang der Untersuchungen im frühmittelalterlichen Gräberfeld, Adelshof und Hofgrablege bei Lauchheim Ostalbkreis. In: Landesamt für Denkmalpflege (Hg.), Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1992. Stuttgart: Theis. 231-243.
Rösch, M. 1997. Ackerbau und Ernährung. In: Karlheinz Fuchs (Hg.), Die Alamannen, Begleitband zur Ausstellung „Die Alamannen“. Stuttgart: Theis. S. 323-330.
Rösch, M. 2006. Die Gärten der Alamannen Bodenfunde zeigen ein neues Bild vom Pflanzenanbau nördlich der Alpen. In. Denkmalpflege in Baden-Württemberg 35/3. S. 166-171.
Siegmund, F. 2000. Alemannen und Franken. In: Heinrich Beck (Hg.) Reallexikon der germanischen Altertumskunde; Ergänzungsbände 23. Berlin/New York: de Gruyter. S. 243-252.