Sprache & Schrift

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Die Alamannen sprachen westgermanische Dialekte, aus denen sich die heutigen Dialekte von Südwestdeutschland, dem Elsass, der Schweiz und Vorarlbergs entwickelt haben. Die älteste in größerem Umfang überlieferte Sprachform des Alemannischen ist Teil der althochdeutschen Sprache vom 8. -11. Jh. n. Chr.

Die erste Lautverschiebung - das Urgermanische entsteht

Die germanischen Sprachen gehen zusammen mit den meisten anderen europäischen Sprachgruppen, sowie den indischen und iranischen Sprachen auf eine gemeinsame Ursprache zurück, die man als indogermanisch bezeichnet. Vermutlich im 5. Jahrhundert v. Chr. breiteten sich in einem Teil der indogermanischen Dialekte im nördlichen Mitteleuropa Lautveränderungen aus, die diese von ihren Nachbarsprachen unterschieden. Dadurch war die urgermanische Sprachgruppe entstanden. Aber auch eine unbekannte nicht-indogermanische Sprache muss in der Vorgeschichte beträchtlichen Einfluss auf die Germanen ausgeübt haben, da ein Teil des germanischen Wortschatzes nicht auf indogermanische Wurzeln zurückgeführt werden kann.

Heutige germanische Sprachen in Europa
Abb: Heutige germanische Sprachen in Europa

   Niederfränkisch (Westgermanisch)
   Niedersächsisch + Ostniederdeutsch (Westgermanisch)
   Mitteldeutsch (Hochdeutsch, Westgermanisch)
   Oberdeutsch (Hochdeutsch, Westgermanisch)
   Anglisch (Anglo-Friesisch, Westgermanisch)
   Friesisch (Anglo-Friesisch, Westgermanisch)
   Ostskandinavisch
   Westskandinavisch
   Trennlinie zwischen West- und Nordgermanisch

Schriftliche überlieferungen gibt es aus dieser Zeit übrigens nicht. Alle Erkenntnisse sind aus dem Vergleich späterer Sprachen erschlossen worden. Im Folgenden werden lateinische, griechische oder altindische Wörter herangezogen, um den indogermanischen Lautstand im Vergleich zu den germanischen Sprachen zu verdeutlichen.

Die wichtigsten Lautverschiebungen betrafen die indogermanischen Verschlusslaute:

idg. p/t/k wurde zu germ. f/þ/h, lat. pater – dt. Vater, engl. father
idg. b/d/g wurde zu germ. p/t/k lat. ego – germ./norddt. ik, lat. cordis – e. heart
idg. bh/dh/gh wurde zu germ. b/d/g aind. bhratar – dt. Bruder

Aber auch Vokale veränderten sich:

idg. kurzes o wurde zu a lat. modus, octo – dt. Maß, acht
idg. langes a wurde zu o lat. frater – engl. brother, ahd. bruoder

Die Betonung des Wortes, die im Indogermanischen beweglich war, wird im Germanischen auf der ersten Silbe des Wortstamms festgelegt. So springt im Lateinischen die Betonung oft, wenn man eine Endung anhängt.

Cícero – Cicerónis, rátio – ratiónis – rationális

Bis heute sind germanische Wörter im Deutschen fast immer auf der Stammsilbe betont (d. h. ohne Vorsilben), anders betonte Wörter sind meist aus romanischen Sprachen oder dem Griechischen übernommen.

Ge-fólgschaften, húnderte, Stámmesgesellschaft

aber: Fotografíe (frz., grch.), rationál (lat.), probíeren (frz.), Compúter (engl., lat.)

Die Quellen – Römer überliefern germanische Worte

Das älteste Zeugnis germanischer Sprache ist der Helm von Negau (Steiermark) aus dem 5.-1. Jh. v. Chr. Seine Inschrift HARIGASTI TEIWA enthält in einem nordalpinen Alphabet den germanischen Personennamen Harigast und den Namen des Gottes Tiwar (isländisch Týr, alem. Ziu).

Da die Germanen zu dieser Zeit keine Schrift benutzten, werden zunächst nur einzelne Wörter in griechischen und römischen Texten überliefert. Caesar erwähnt im 1. Jh. v. Chr. das Wort ûrus (Auerochse). Im 1. Jh. n. Chr. nennt Tacitus alcês (Elche), framea (eine Speerart) und glêsum (Bernstein, daher das dt. Wort „Glas“). Plinius d. Ä. überliefert die Wörter ganta (Gans) und sâpo (Schminke, daher dt. „Seife“, alem. „Saipfè“!). Daneben sind aus diesen Schriften germanische Stammes- und Personennamen bekannt.

Weitere Wörter sind in nahezu altgermanischer Form als Fremdwörter im Finnischen bewahrt: finn. rengas < germ. *hrengaz „Ring“, finn. kuningas < germ. *kunningaz „König“. Das Germanische wurde aber auch von den Nachbarsprachen beeinflusst. Fremdwörter aus dem Keltischen betreffen meist den Bereich von Staat und Herrschaft: Amt < *ambaktos - „Diener, Bote“, Reich < rīgs - „König“ (vgl. Häuptlingsnamen wie Vercingetorix), sowie Geisel und Eid, möglicherweise auch frei und Erbe. Keltischer Ursprung wird auch für Eisen und Lot („Blei“) vermutet.

Westgermanische Dialekte

Im 3. Jahrhundert bilden sich im westgermanischen Bereich aus der Vielzahl der früheren Stämme neue Großverbände, darunter auch die Alamannen. Sprachliche Veränderungen, die sich in allen westgermanischen Dialekten verbreitet haben, zeigen, dass sie ein Dialektkontinuum ohne scharf abgegrenzte Sprachen gebildet haben. Benachbarte Ortsdialekte waren gegenseitig leicht verständlich, weiter entfernte aber immer stärker unterschieden voneinander.

Gemeinsamkeiten der westgermanischen Dialekte (deutsch, altsächsisch, angelsächsisch, friesisch) sind unter anderem:

  • Eine Konsonantenverdoppelung vor j, w, r, l: got. noch sibja, asächs. sibbia, ahd. sippe.
  • Der Verlust des -s am Wortende: germ. gastis, got. (ostgerm.) gasts, ahd. gast. Im Norden ist das -s übrigens zu -r geworden: anord. gestr. Daher wird die Rune Algiz/AlgiR, die für dieses End-s benutzt wurde, mal als -z und mal als -R umschrieben.

In dieser Zeit kamen viele lateinische Fremdwörter ins Germanische, von denen 500 noch heute im Deutschen vorhanden und nicht mehr wegzudenken sind. Schon früh muss das Wort Kaiser übernommen worden sein, denn das lateinische Vorbild Caesar wurde ab dem 2. Jahrhundert bereits nicht mehr Ka-esar, sondern Käsar ausgesprochen. Übernommen wurden vor allem Wörter aus den Bereichen Landwirtschaft (Sichel, Kirsche, pflanzen, pflücken), Militär und Verwaltung (Pfeil, Kampf, Wall, Meile), Haushalt (Karren, Kiste, Schüssel, kochen) und Bauwesen (Mauer, Kammer, Fenster, Ziegel). Umgekehrt sind in Folge der Völkerwanderung germanische Begriffe v.a. des Kriegswesens und für Farben in die romanischen Sprachen eingegangen.

Während in frühalamannischer Zeit praktisch nur alamannische Personennamen in der römischen Geschichtsschreibung überliefert sind, nimmt in der Merowingerzeit unser Wissen über die Sprache der Alamannen langsam zu. Aus den Namen der damals gegründeten Dörfer können Rückschlüsse auf die damalige Sprache gezogen werden. Die im alemannischen Gebiet so häufigen Ortsnamen auf –ingen enthalten immer einen Personennamen: Reutlingen = „bei den Leuten des Rutilo“. ähnlich sind auch die Namen germanischer Familiendynastien gebildet: Die Merowinger nach einem mythischen Vorfahren Merowech, die Karolinger nach Karl Martell.

Die Runen – germanische Schriftzeichen

Im Norden schon seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. bekannt, kommt die germanische Runenschrift im 6. und 7. Jahrhundert auch bei den Südgermanen, vor allem bei den Alamannen in Gebrauch. Zwar beschränken sich die Runen auf kurze Inschriften, die zudem oft schwer zu lesen und zu deuten sind. Es sind jedoch damit erstmals alamannische Namen und Worte von den Sprechern selbst überliefert.

Die germanische Runenreihe
Abb: Die germanische Runenreihe

Die einzelnen Runenzeichen haben nicht nur einen Lautwert, sondern auch einen Namen und damit eine Wortbedeutung. Sie sind in einer eigenen Reihenfolge geordnet, die nach den ersten Buchstaben „Futhark“ genannt wird. Die Macht, Sprache festzuhalten, hat den Runen sicher eine stark magische Bedeutung verliehen, was sich in Einritzungen der Runenreihe oder Teilen davon zeigt.

 Fuþark von Breza (Bosnien)

Abb: Fuþark von Breza (Bosnien)

S-Fibel von Weingarten Bügelfibel von Herbrechtingen
Runen - dado Runen - fþae
dado (Männername) fþae (Abk. für fuþark?)

Die Inschrift der Fibel von Nordendorf I wird als Abschwörung an die heidnischen Götter interpretiert – falls hier nicht ein sonst unbekannter Gott Logdur genannt sein sollte:

Runen - logaþore wodan wigiþonar Runen - awa leubwini
logaþore wodan wigiþonar awa                leubwini
Lügner?? Wodan Weihe-/Kampf-Donar Awa (und)? Leubwin / Geliebter?

Nicht selten nennen sich am Ende der Inschrift die Runenritzerinnen, meistens Frauen, wie etwa auf dem Holzstab aus Grab 168 von Neudingen:

uraitruna
l[iu]bi : imuba : hamale : bliþgu[n]þ : urait runa
Liebes der Imuba (von) Hamal, Blidgund riss (schrieb, vgl. engl. write) die Runen

Ausnahmsweise gut sichtbar auf der Vorderseite einer Gürtelschnalle aus Pforzen ist die folgende Inschrift angebracht, die vermutlich einen vollständigen Stabreimvers bildet:

Runen - aigil andi aïlrun Runen - ltahu gasokun
aigil andi aïlrun ltahu/elahu? gasokun
Eigil und Eilrun verurteilen die Hirsche? (heidnischen Hirschzauber?) oder kämpfen an der Ilzach?

Die zweite Lautverschiebung – die althochdeutschen Dialekte setzen sich ab

Zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert setzt sich nun eine zweite Lautverschiebung in den südlichen Dialekten des Westgermanischen durch. Auf einer Lanzenspitze von Wurmlingen (Kr. Tuttlingen) ist mit dem Namen Dorih die Verschiebung des germ. k (*Do-rik) zu ch belegt. Einige Beispiele von rekonstruierten (mit Stern*) germanischen Wörtern und deren althochdeutschen Nachfolgern verdeutlichen die etwas unterschiedliche Verschiebung je nach Stellung im Wort. Wer sie mit den entsprechenden englischen Wörtern vergleicht, wird dort den alten germanischen Lautstand entdecken.

  Anlaut Inlaut nach Konsonant Inlaut nach Vokal
p – pf (f) *plegan – pflegan (pflegen) *appla – apful (Apfel) *greipan – grifen (greifen)
t – tz (ss) *tun - zaun (Zaun) *holta – holz (Holz) *watar – wassar (Wasser)
k – kch (ch) *korna – kchorn (Korn) *werka – werkch (Werk) *maken – machen (machen)

Damit zusammenhängend verschiebt sich im 8./9. Jh. das germanische þ (th) zu d. Das Englische hat diesen Laut bis heute bewahrt. Die zweite Lautverschiebung ist somit schuld, dass das „th“ heute für deutsche Englischschüler so schwierig auszusprechen ist.

Die Dialekte des Mittelgebirgsraums, die diese Lautverschiebung mitgemacht haben, nennt man „hochdeutsch“, die nördlich davon gelegenen dagegen „niederdeutsch“. Die Grenze verläuft heute nördlich von Köln und nahe an Berlin vorbei. Die einzelnen Konsonantenverschiebungen haben sich allerdings von Süd nach Nord unterschiedlich stark durchgesetzt, das „k – kch“ z.B. ist heute nur in den südlichen Teilen des Alemannischen und des Bairischen verbreitet. Wie sich diese Lautverschiebung genau entwickelt und ausgebreitet hat, können wir nicht beobachten. Runeninschriften und Namen geben nur einzelne Hinweise darauf geben, deutlich sehen wir erst ihr Ergebnis seit dem 8./9. Jahrhundert.

Die Sprache, die nun entstanden ist, nennt man „althochdeutsch“. Dieser Begriff bezeichnet dabei nur die Zeit („alt“) und den geographischen Raum („hoch“) der südlichen, höher gelegenen Teile des deutschen Sprachraums. Eine einheitliche Schriftsprache gab es noch lange nicht.

Charakteristisch für das Althochdeutsche sind die klangvollen Endsilben, die bereits in der mittelhochdeutschen Sprachstufe des hohen Mittelalters zu e abgeschwächt oder ganz ausgefallen sind: ahd. zunga, nhd. Zunge, ahd. mahhōn, nhd. machen. Wie auf Latein brauchte man zu den Substantiven keinen Artikel (der, die das) und zu den Verben kein Pronomen (ich, du, er...), da Fall und Person durch die Endung eindeutig bestimmt waren. Neben den bekannten vier Fällen sind Reste eines Instrumentalis erhalten („Womit“-Fall):
ahd. hiu tagu („an diesem Tage“), mhd. hiute, nhd. heute, südalem. noch hitu.
ahd. hiu jāru („in diesem Jahre“), nhd. heuer

Deklination von tag „Tag“
  ahd nhd
Nom. Sg. tag der Tag
Gen. Sg. tages des Tages
Dat. Sg. tage dem Tag(e)
Akk. Sg. tag den Tag
Instr. Sg. tagu mit (an) dem Tag
     
Nom. Pl taga die Tage
Gen. Pl. tago der Tage
Dat. Pl tagum die Tage
Akk. Pl. taga die Tage
Konjugation von nëman "nehmen"
  ahd nhd
1. Sg. nimu ich nehme
2. Sg. nimis du nimmst
3. Sg. nimit er/sie/es nimmt
1. Pl nëmemes wir nehmen
2. Pl. nëmet ihr nehmt
3. Pl nëmant sie nehmen
     
     
     
     

Bereits auf mittelhochdeutsch heißt es dann „di zunge“ und „ich hilfe“. Lediglich am südlichsten Rand des alemannischen Sprachraums, im Wallis, haben sich die betonten Endvokale wie auch andere alte Formen, z.B. für die 3. Person Plural (schii lüegunt – sie schauen/lugen), bis heute erhalten.

 

 Der althochdeutsche und altniederdeutsche Sprachraum
Abb: Der althochdeutsche und altniederdeutsche Sprachraum

Gesetze und Gebete – die Sprache wird niedergeschrieben

Mit der Christianisierung der Alamannen entstehen seit dem 7. Jh. Klöster als Zentren der Schriftlichkeit in lateinischer Sprache und Schrift. In den lateinischen Texten sind jedoch auch germanische Personen- und Ortsnamen, z.B. von in Verbrüderungsbücher eingeschriebenen Mönchen enthalten. In lateinische Aufzeichnungen des alamannischen Gesetzes sind ab dem 8. Jahrhundert immer wieder die entsprechenden juristischen Begriffe in der Volksprache eingestreut.

In den Klöstern werden vom 8. bis 11. Jahrhundert erstmals auch ganze Texte in der Volkssprache niedergeschrieben, meist Gebete und übersetzungen christlicher und antiker Texte, aber auch ein lateinisch-deutsches Wörterbuch ist darunter. Geht man über den alamannischen Raum hinaus, findet man sogar die noch heidnischen Merseburger Zaubersprüche, christliche Segenssprüche, Heldenlieder, deutsch-lateinische Sprachführer und eine Grenzbeschreibung unter der sehr überschaubaren Anzahl noch vorhandener althochdeutscher Aufzeichnungen. Die althochdeutsche Sprache im alamannischen Gebiet, die hier erstmals in größerem Umfang fassbar wird, lässt die Sprache der Alamannen erahnen, aus der sie sich entwickelt hat.

überlieferung aus St. Gallen – Altalemannische Texte

Das Kloster St. Gallen ist eines der wichtigsten Klöster für die überlieferung althochdeutscher Sprache in alemannischem Dialekt. Noch im 10. Jahrhundert übersetzte Notker Labeo („mit der großen Lippe“, später auch „Teutonicus“, der Deutsche, genannt) Werke antiker Philosophen und christliche Texte ins Althochdeutsche.

Vaterunser, 8.Jh., St. Gallen, Cod. 911, Bl. 319-322 (Original: http://www.cesg.unifr.ch/getMs.php?ref=911-320)

Das wichtigste Gebet des Christentums wurde zwar in deutsche Wörter übersetzt, die lateinische Wortstellung traute man sich aber noch nicht zu verändern. Außerdem kommen übersetzungsfehler vor.

Fat~(er) unseer, Vater unser
thu pist in himile. der du bist im Himmel
uuihi namun dinan. geheiligt werde dein Name (hier fälschlich “weihe deinen Namen”)
qhueme rihhi din. dein Reich komme
uuerde uuillo diin, dein Wille geschehe
so in himile wie im Himmel
sosa in erdu. so auf Erden
prooth unseer emezhic kip uns hiutu. unser tägliches Brot gib uns heute(lat. „panem nostrum quotidianum da nobis hodie“)
oblaz uns skuldi unseero, und vergib uns unsere Schuld
so uuir oblazem uns sculdikem. wie auch wir vergeben unsern Schuldigern
enti ni unsih firleiti in khorunka, und führe uns nicht in Versuchung
uzzer losi unsih fona ubile. sondern erlöse uns von dem übel

Spottvers auf eine geplatzte Hochzeit, 9. Jahrhundert, Cod. Sang. 30 S.1

liubene ersazta sine gruz Liubene bereitete sein Weizenbier (als Hochzeitsbier)
unde kab sina tohter uz und vergab (verheiratete) seine Tochter
to cham aber starzfidere da kam jedoch Schwanzfeder
prahta imo sina tohter uuidere (und) brachte ihm seine Tochter wieder

Liebesspruch. 10. Jh., Cod. Sang. 105 S.1

ueru taz ist spiz Veru (lat.), das heißt Spieß,
taz santa tir tin fredel ce minnon das sandte dir dein Freund aus Liebe.

Die Bedeutung der ersten Zeile ist unklar. Vermutet wird u.a. eine erotische Anspielung auf Spinnwirtel und Spindel als Liebesgeschenk.

St.Galler Haussegen, 10 Jh., Zürich Hs. C 176, Bl. 154 r.

Ad signandum domum contra diabolum Zur Segnung des Hauses gegen den Teufel
Uuola, uuiht, taz tu uueist, Wohlan, Wicht, du sollst wissen [dass ich weiß],
taz tu uuiht heizist, dass du Wicht heißest
Taz tu neuueist noch nechanst dass du nicht weißt noch (nicht)kannst
cheden chnospinci. zu sagen „Chnospinci“ (Zauberwort?)

Sprichwörter aus Notkers übersetzung von Boethius’ „De Partibus Logicae“

Úbe man álliu dîer fúrtin sál, nehéin só harto só den mán
Wenn man alle Tiere fürchten muss, so doch keines so sehr wie den Menschen.

Úbilo tûo, bezzeres né wâne. Tue Böses, [dann] erwarte [auch] nichts Besseres

Tú nemáht nîeht mít éinero dóhder zeuuena eidima máchon.
Nòh tú nemáht nieht fóllén múnt háben mélues únde dóh blásen.
Du kannst nicht mit einer Tochter zwei Schwiegersöhne gewinnen,
noch kannst du einen Mund voller Mehl haben und doch blasen.

Dialektgrenzen

Eine Unterscheidung der einzelnen althochdeutschen Dialekte ist schwierig, das Ziehen von Dialektgrenzen unmöglich. Alle althochdeutsche überlieferung ist auf frühe Klöster beschränkt. Für den alemannischen Raum sind dies St. Gallen, Reichenau und Murbach im Elsass. Die Verbreitung bestimmter Spracheigenheiten kann aus nur drei überlieferungsorten natürlich kaum erschlossen werden.

So kann man auch nicht aus den heutigen Dialektgrenzen auf frühmittelalterliche Verhältnisse zurückschließen. In den dazwischenliegenden 1000 Jahren hat sich wieder viel verändert. Die alemannische Sprache hat sich unter Einfluss von innen und außen weiterentwickelt. Die Sprachwissenschaft definiert die heutigen Dialekte nach den um 1900 festgestellten Sprachgrenzen: Alemannische Dialekte heute

Abb: Moderne Alemannische Dialekte

Alemannisch (im weiteren Sinne):

Schwäbisch: Eis, Haus (mhd. î > ei, mhd, û > au)
Alemannisch (im engeren Sinne): Îs, Hûs (mhd. î und û erhalten)
Niederalemannisch: Khind (Südbaden, Bodensee, Vorarlberg)
Hochalemannisch: Chind (Hochrhein, Schweiz), k ist zu ch verschoben
Höchstalemannisch: südlicher Teil des Hochalemannischen

Eine deutliche und alte Dialektgrenze verläuft am Lech zum Bairischen hin. Innerhalb des Alemannischen hat der Schwarzwald eine lange Tradition als Dialektscheide. Die meisten Grenzen sind aber jünger, manche sogar heute noch in Bewegung. So hat sich die Diphthongierung von î/û zu ei/au von Osten ausgehend seit dem 14. Jahrhundert in dem Gebiet ausgebreitet, das man heute „Schwäbisch“ nennt. Am Bodensee ist sie immer noch im Vormarsch.

Links

Althochdeutsche Texte: http://www.linguistics.ruhr-uni-bochum.de/~strunk/Deutsch/

Kieler Runendatenbank: http://www.runenprojekt.uni-kiel.de/

Die alemannische Wikipedia: http://als.wikipedia.org/

Chumo kiscreib, filo chumor kipeit.
Mit Mühe habe ich es (zu Ende) geschrieben, mit viel größerer Mühe habe ich es (das Ende) erwartet.
Cod. Sang. 623, S. 209

R.K.

 

Abkürzungen

* der Stern vor einem Wort bedeutet, dass das Wort nur aus späteren Sprachen erschlossen ist.
ags. angelsächsisch
ahd. althochdeutsch
aind. altindisch
anord. altnordisch
asächs. alt(nieder)sächsisch
got. gotisch
idg. indogermanisch
lat. lateinisch
nhd. neuhochdeutsch